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Thesen zu Stand und Gehalt der DDR-„Aufarbeitung“ (Infos)

verfasst von Sarah(R), 16.06.2019, 00:48

In diesem Zusammenhang fällt mir ein Artikel aus dem aktuellen RF 257 (06/19), S.25, ein, der einen Auszug beinhaltet aus dem Buch von Matthias Krauß: Die große Freiheit ist es nicht geworden. Was sich für die Ostdeutschen seit der Wende verschlechtert hat. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2019, 256 S., 14,99 €

1. Weil das heute in der Öffentlichkeit gezeichnete Bild von der DDR allein die Annahme duldet, daß sie keinerlei Werte verkörpert hat, nichts von Wert anstrebte und schon gar nichts von Wert schuf, ist es falsch oder zumindest einseitig. Historische und beweisbare Tatsache ist vielmehr, daß dieser Staat sich wertvollste Dinge vornahm und – auf bestimmten Feldern – dabei erstaunlich weit gekommen ist.
2. Die DDR hatte zweifellos gewaltige Nachteile, aber diese Nachteile ergaben sich vielfach aus ihren Vorzügen. Und das galt auch umgekehrt. Diese Zwiespältigkeit bestimmte schon zu ihren Lebzeiten die Haltung der DDR-Bürger zu ihrem Staat und tut dies auch im Rückblick. Vieles in diesem Staat hat wirklich und auch sehr gut funktioniert. Die DDR gab sich immer als materialistisch gestimmtes Gemeinwesen aus – tatsächlich war sie aber ein Staat, der in heute kaum vorstellbarem Maße idealistisch war und an den Idealismus appellierte.
3. Gehaßt wurde und wird die DDR heute wie damals weniger für ihre problematischen oder auch „verbrecherischen“ Züge. Gehaßt wird die DDR vor allem für die Dinge, mit denen sie recht hatte und in denen sie mitunter sogar Vorbild war. Denn sie hat der West-Gesellschaft in wichtigen Fragen den Spiegel vorgehalten. Die Erleichterung darüber, daß dieser Spiegel nun blind geworden ist, und die Skrupellosigkeit, mit der Ungerechtigkeit und Zynismus im heutigen Deutschland Konjunktur haben, sind ebenfalls nicht voneinander zu trennen.
4. Beim geschichtlichen Rückblick deutscher Medien und Politiker werden konsequent die für diesen DDR-Staat ungünstigsten Erscheinungen gewählt. Andere bleiben ausgeblendet, und vor allem wird niemals beleuchtet, welche dieser trüben Erscheinungen vom Westen erst provoziert worden sind. Was in Deutschland unter dem Label „Aufarbeitung“ abläuft, erfüllt nicht die Kriterien von Aufarbeitung, sondern die der Propaganda. In diesem Fall also der Geschichtspropaganda.
7. Der heutige Umgang mit der verblichenen DDR hat wenig mit vergangenen, sondern vielmehr mit gegenwärtigen politischen Fragen zu tun. (Wer sich mit der Vergangenheit beschäftigt, der beschäftigt sich mit der Gegenwart, ob er will oder nicht.) Angesichts der zunehmenden Unfähigkeit der heutigen Eliten, gesellschaftliche Probleme zu lösen, drängt sich dabei der Verdacht auf, daß jegliches Denken in und das Erforschen von Alternativen unterbunden werden soll. Und für das Aufspüren von solchen Alternativen ist die DDR ein reicher Fundus.
10. Die irrationalen Haßgesänge auf die ins Grab gesunkene DDR, wie sie noch Jahrzehnte nach ihrem Ende von den Medien immer lauter angestimmt werden, und die seelische Verarmung und Verelendung im Osten Deutschlands, die Zunahme von Ungerechtigkeit und Zukunftsangst, gehören zusammen.

 

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